Großes Orchester Deutschland
Das einst weltweit anerkannte Große Orchester Deutschland hat an Ruhm und Bewunderung verloren. Es wird teils sogar belächelt. Wen wundert´s, wenn es dem Orchester unter Leitung ihres Chefdirigenten nur selten gelingt, ein Stück ohne Misstöne, Disharmonien und Dissonanzen über die Bühne zu bringen? Früher, da haben die Leute Beifall gespendet. Und heute? Ganz gleich, ob heute das gesamte Orchester spielt, oder ob nur Solopartien bzw. Orchestergruppen erklingen, statt Beifall schütteln die Zuhörer nur noch die Köpfe und Buh – Rufe hallen durchs Land. Meist sind es Verwandte oder Sympathisanten, die sich zu einem mehr oder minder starken Applaus durchringen können. Das einst verwöhnte Publikum klatscht höchst selten. Warum auch?
Selbst dem nicht vertrauten Zuhörer und vom Wohlklang der Musik verwöhnten Publikum bereiten die Misstöne der alpinen Blechbläser in ihren Sepplhosen und Dirndln wenig Freude. Für Freunde des Schuhplattlers sicher ein Genuss. Soll´n sie doch auf der Wies´n spielen. Da gibt es genügend Zuhörer, die sich auch ins musikalische Koma saufen. Es sind aber nicht nur die Trachtenmusiker, die Unruhe ins Orchester bringen. Von der Bläsergruppe hört man häufiger den Wunsch, Marschmusik spielen zu dürfen. Der große Zapfenstreich soll weltweit erklingen, wenngleich sich die Instrumente in einem teils erbärmlichen Zustand befinden. Das ist der Grund, warum kaum eines der Instrumente den richtigen Ton trifft. Und die, die noch funktionieren werden großzügig verschenkt oder verscherbelt. Möglicherweise sind die Forderungen der Militärmusik- Liebhaber, stur stracks immer ran Marschmusik zu spielen, ein Grund für die Disharmonien im Spiel des Orchesters. Marschmusik im Ausland, das fordern sogar die Flöten und Blockflöten. Sie verzichten neuerdings darauf, den Marschmusikern die Flötentöne beizubringen.
Selbst wenn sich die Pfeifen mit den Harfen und Klarinetten zusammenschließen, die Misstöne bleiben unüberhörbar. Die selbstverliebte Konzertmeisterin tingelt mit ihrer Kinderrassel rund um die Welt, in der Hoffnung, dass das deutsche Sinfonieorchester auf internationalen Bühnen mehr Auftritte bekommt. Gesponsert werden die Auftritte vom Orchester selbst.
Dem verwöhnten Zuhörer ist nicht entgangen, dass die Anzahl der Querflöten deutlich geringer geworden ist, weil diese sich plötzlich für die Blockflöte entschieden. Von den restlichen Pfeifen ist kaum noch etwas zu hören. Gut, ab und zu sind angenehmere Töne im Klangkörper zu vernehmen. Dann keimt so etwas wie unbegründete Hoffnung auf.
Und sollte es dem Orchester in bestimmten Passagen tatsächlich gelingen, harmonische Töne zustande zu bringen, dann spielen plötzlich die Kontrabässe und Fagotte nach Belieben auf und sorgen für noch größere Disharmonien und bringen obendrein das ganze Orchester aus dem Takt, falls sie nicht gerade unter lautem Protest den Saal verlassen.
Aus gut unterrichteten Künstlerkreisen ist zu hören, dass sich der Chefdirigent und die Konzertmeister häufiger, sogar heimlich hinter verschlossenen Türen treffen, um einerseits wieder Harmonie und Wohlklang zu erzielen und um andererseits das Konzept für einen neuen Spielplan bei wechselnden Besetzungen zu beraten. Bei diesen Zusammenkünften habe man die Ursachen für die orchestrale Misere ausgewertet und erkannt. Sie lägen nicht primär im Orchester selbst, sondern wären vordergründig beim verständnislosen Publikum zu finden, das offensichtlich über wenig Liebe zu dieser Art Musik verfügen würde. Jeder Kenner der Musik weiß, in einem Orchester muss das Verhältnis der einzelnen Instrumente stimmen. Zu viele Pfeifen erzeugen genauso wenig den gewünschten Klang, wie zu viele Blas – oder Schlaginstrumente.
Alle Dirigenten hatten in der Vergangenheit eine Partitur vor sich auf dem Pult liegen dirigierten mit dem Rücken zum Publikum. Heute scheint es umgedreht, der Dirigent wendet dem Orchester seinen Rücken zu und versucht emotionslos dem Publikum scheinbar eine Gebrauchsanleitung vorzulesen, ohne auf die Partitur zu blicken. Unverständlich ist dem Publikum, warum im Orchester die Instrumente öfter gewechselt werden. Es scheint sinnvoll, wenn sie alle erstmal das eigene Instrument beherrschen lernen würden, bevor die andere traktieren. Vielleicht sollten sich alle Mitglieder des Orchesters geschlossen in die Deutsche Staatsoper begeben, um gemeinsam Beethovens 9. Sinfonie mit Schillers Schlusschor: „Ode an die Freude“ zu hören. Die einzelnen Orchestergruppen könnten dann vereint einstimmen: „ Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein…“ Ich sehe schon die Freudentränen in den Gesichtern. Aber so wie es aussieht, haben sie sich für Beethovens 5. Sinfonie, die Schicksalssinfonie, entschieden.